Glühverfahren

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Version vom 10. Dezember 2016, 17:37 Uhr von Horsch (Diskussion | Beiträge) (Diffusionsglühen)
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Glühverfahren

Diffusionsglühen

Das Diffusionsglühen oder Homogenisieren zielt darauf ab, Konzentrationsunterschiede bzw. Gefügeheterogenitäten im Bauteil zu beseitigen. Dabei werden zonenförmige (z. B. lokale Härtungszonen), anisotrope (z. B. Gefügezeiligkeit ferritisch-perlitischer Stähle) und isotrope Heterogenitäten (z. B. gleichmäßig im gesamten Gefüge verteilte Mikroseigerungen) unterschieden. Diese Konzentrationsunterschiede entstehen bei einer technischen Erstarrung immer, da der thermodynamische Gleichgewichtszustand beim Übergang flüssig/fest praktisch nicht erreicht wird. Ein vollständiges Beseitigen solcher Gefügebereiche ist nur durch ein Erwärmen des Werkstoffes auf Temperaturen möglich, bei denen die Entmischung der Legierungs- u. Begleitelemente des Stahls ausgleichen werden kann. Da die Beweglichkeit der Atome umso größer ist, je höher die Temperatur ist, findet das Diffusionsglühen bei Temperaturen im Bereich 1.000 - 1.300°C statt. Für die Festlegung der Technologie müssen der Ausgangsseigerungsgrad, der Primärzeilenabstand, das Diffusionsvermögen der geseigerten Elemente und der zugelassene Restseigerungsgrad berücksichtigt werden. Ungünstige Bedingungen erfordern ggf. sehr lange Glühzeiten. Die löslichen Gefügebestandteile diffundieren in das Korninnere, während unlösliche Phasen, wie Carbide, Nitride oder Oxide in eine rundliche Form (Koagulation) überführt werden. Diffusionsglühen kann aus folgenden Gründen erforderlich sein:

Beseitigung von Werkstoff versprödenden Phasen an den Korngrenzen (Vorbehandlung des Vergütens) Veränderung der Morphologie unlöslicher Gefügebestandteile (Karbide, Nitride, Oxide), welche die Werkstoffeigenschaften negativ beeinflussen können Ausgleich lokaler Unterschiede der chemischen Zusammensetzung (Kristallseigerungen) Durch die Homogenisierung nehmen sowohl Zugfestigkeit, als auch Bruchdehnung und Brucheinschnürung im Vergleich zum ungeglühten Zustand zu. Kornwachstum und, bei langer Glühung in normaler Ofenatmosphäre, erheblicher Materialverlust durch Verzundern gehören zu den unerwünschten aber nicht vermeidbaren Begleiterscheinungen des Diffusionsglühens. Falls notwendig kann im Anschluss zur Kornfeinung einmalig oder mehrfach normalgeglüht werden. Diffusionsglühen wird meist nur bei hoch beanspruchten Stahlgussteilen oder schwer zu homogenisierenden Stählen, wie hochlegierten Werkzeugstählen, angewendet. In der Regel werden abgegossene oder warmumgeformte Stahlblöcke diffusionsgeglüht, um in nachfolgenden Bearbeitungsschritten Verzunderung, Randentkohlung oder Grobkornbildung wieder beseitigen zu können. Durch das Diffusionsglühen lassen sich nur Kristallseigerungen und Konzentrationsunterschiede von direkt benachbarten Gefügebestandteilen ausgleichen. Dagegen ist die Beseitigung von Block- oder Schwerkraftseigerungen aufgrund der großen Diffusionswege in wirtschaftlich tragbarer Zeit nicht möglich.[1]

Diffusionsglühen Ablauf[2] Temperaturbereich des Diffusionsglühens
Diffusionsgluehen.png
Temperaturbereich diffusionsgluehen.png

Grobkornglühen[2]

In der Regel ist ein grobkörniges Stahlgefüge aufgrund der relativ niedrigen Zähigkeits- und Festigkeitswerte unerwünscht. Einziger Vorteil eines gröberen Kornes ist die hieraus resultierende bessere Zerspanbarkeit, die der erhöhten Sprödigkeit des Grobkorns geschuldet ist (Beachte, dass sich Sprödigkeit und Zähigkeit immer umgekehrt verhalten). Vor allem für kohlenstoffarme Stähle mit einem Kohlenstoffgehalt unter 0,3 % bietet sich das sogenannte Grobkornglühen als Alternative zum Weichglühen an, um die Spanbarkeit entsprechend zu verbessern.

Beim Grobkornglühen wird der Stahl im Bereich zwischen 950 °C und 1100 °C geglüht. Bei diesen hohen Temperaturen können Diffusionsprozesse in ausreichendem Maße stattfinden, sodass sich die Atome an den Korngrenzen neu anlagern können und diese somit zum Wachsen bringen. Triebkraft hierfür ist letztlich die Verringerung der Oberflächenenergie, die mit einem größeren Korn einhergeht anstatt mit vielen kleinen. Da die Diffusionsprozesse Zeit benötigen, muss je nach Dicke des Werkstückes mehrere Stunden lang geglüht werden. Aufgrund der ungünstigen mechanischen Festigkeitseigenschaften, bleibt das Grobkornglühen auf kohlenstoffarme Stähle beschränkt und wird nur sehr selten angewandt. Nach der spanenden Bearbeitung des Grobkorngefüges (Ziel war es ja eine bessere Zerspanbarkeit herzustellen), kann dieses anschließend durch Normalglühen wieder beseitigt werden.

Grobkornglühen Ablauf Temperaturbereich des Grobkornglühens
Grobkorngluehen.png
Temperaturbereich grobkorngluehen.png

Spannungsarmglühen

Ziel des Spannungsarmglühens, welches grundsätzlich auf alle metallischen Werkstoffe angewendet werden kann, ist die Verminderung innerer Spannungen (Eigenspannungen 1. und 2. Art) in Bauteilen ohne signifikante Änderung des Gefüges und der Materialeigenschaften. Derartige Spannungen können als Folge von Kaltverformung (z.B. Umformprozessen, Richten), nach dem Schweißen, nach spanabhebender Bearbeitung (z.B. Fräsen, Drehen), nach ungleichmäßiger Abkühlung (z.B. Schwindungsbehinderung beim Gießen) auftreten oder aus Gefügeumwandlungen resultieren. Die Überlagerung der Eigen- mit den im Einsatz auftretenden Beanspruchungsspannungen kann zu unerwünschten Formänderungen (Verzug) oder im ungünstigsten Fall sogar zum Bauteilversagen durch Bruch führen. Eine vollständige Beseitigung der Eigenspannungen ist dabei nachgewiesenermaßen nicht möglich, ein Spannungsabbau deutlich über 90% jedoch bei fachgerechter Ausführung die Regel. Hier liegt der qualitative Unterschied zum Rütteln / Vibrieren, welches bei Raumtemperatur durchgeführt wird und einen bei weitem nicht so umfassenden und gleichmäßigen Spannungsabbau bewirkt (siehe auch > Häufige Fragen: Ersetzt Rütteln / Vibrieren das Spannungsarmglühen?). Beim Spannungsarmglühen erfolgt durch die Erwärmung eine Absenkung der Streckgrenze des Werkstoffes unter den Betrag der vorliegenden inneren Spannungen. Der Spannungsabbau erfolgt durch die dabei im Gefüge ablaufenden Fließ- und Kriechvorgänge. Das Glühen beinhaltet demnach immer ein vollständiges Durchwärmen des Bauteils, in Abhängigkeit von der maximalen Wandstärke bei der entsprechenden Glühtemperatur. Diese liegt für allgemeine Baustähle im Bereich von 520°C bis 620°C. Feinkornstähle sollten nicht oberhalb von 580°C geglüht werden, da es ansonsten zu einer Gefügevergröberung kommen kann, die sich nachteilig auf die mechanischen Eigenschaften auswirkt. Vergütete Stähle sind im Hinblick auf den Anlasseffekt bei höchstens 30 °C unterhalb der letzten Anlasstemperatur zu glühen. Die Glühtemperatur von Gusseisenwerkstoffen ist abhängig von deren Legierungszustand (unlegiert: 500 - 550°C, niedriglegiert: 550 - 600°C, hochlegiert: 600 - 650°C). Gehärtete bzw. vergütete Gusseisen können ohne eine auftretende Gefügeänderung nicht spannungsarm geglüht werden, da die notwendigen Glühtemperaturen immer einen Anlasseffekt ausüben würden.

Auch NE-Werkstoffe, wie z.B. naturharte Al-Knetlegierungen können mit dem Ziel einer Spannungsverminderung bei ca. 200 - 250°C thermisch entspannt werden, wobei in diesem Fall der Begriff Glühen nicht verwendet werden sollte. Die beim Glühen ablaufenden Fließ- und Kriechprozesse benötigen Zeit und laufen bei höheren Temperaturen schneller ab. Glühtemperatur und Glühdauer bilden daher immer eine Einheit, d. h. dass eine geringere Glühtemperatur eine längere Glühdauer erfordert, um den gleichen Spannungsabbau zu realisieren. Überschlägig lässt sich die die Haltezeit bei Glühtemperatur mit ca. 1 - 2 min je mm der maximalen Wanddicke festlegen. Je niedriger also die zulässigen Restspannungen, desto höhere Glühtemperaturen innerhalb des optimalen Bereiches werden für den Spannungsabbau benötigt.

Neben der richtigen Wahl der Glühtemperatur und -dauer sind sowohl das Aufheizen als auch das Abkühlen von entscheidender Bedeutung für den Prozesserfolg. Diese beiden Prozessphasen sollten aufgrund der Wärmeleitung im Material entsprechend langsam erfolgen, damit der Temperaturgradient zwischen Bauteiloberfläche und - kern möglichst gering ist. Bei zu hohen Aufheiz- und / oder Abkühlraten können, trotz sachgemäßen Einhaltens der übrigen Verfahrensschritte, gerade bei Bauteilen mit großen Wanddickenunterschieden, neue innere Spannungen auftreten. Raten von maximal 80 K/h garantieren bei Bauteilen mit geringen Querschnittsunterschieden in vielen Fällen ein sehr gutes Ergebnis. Dennoch sind diese Werte im Einzelfall in Abhängigkeit von den Abmessungen und dem Ausgangszustand des zu glühenden Bauteils gesondert festzulegen. Insbesondere Gussstücke mit großen Wanddicken bzw. Wanddickenunterschieden sollten sehr langsam (mit < 30 K/h) erwärmt und abgekühlt werden, um eine gleichmäßige Durchwärmung des gesamten Querschnittes zu realisieren. Eine geregelte Abkühlung im Ofen bis ca. 250 ... 300 °C gewährleistet gleichmäßige Abkühlbedingungen und damit geringere Temperaturgradienten über den Bauteilquerschnitt. Unterhalb von 250 °C kann im Allgemeinen eine Restabkühlung an ruhender Luft erfolgen.

Beim Spannungsarmglühen wird das Werkstück unterhalb der PSK-Linie im Bereich zwischen 550 °C und 650 °C geglüht. Der Effekt des Spannungsabbaus beruht darauf, dass die Festigkeit des erwärmten Bauteils mit höherer Temperatur abnimmt. Fällt die Streckgrenze (Warmdehngrenze) dabei unter den Wert der Eigenspannungen, so werden diese durch plastische Verformung abgebaut. Die Versetzungen beginnen entsprechend zu wandern. Die Eigenspannungen können also immer nur bis maximal auf die entsprechende Warmdehngrenze abgebaut werden, niemals vollständig.

Spannungsarmglühen Ablauf[2]
Temperaturbereich spannungsarmgluehen.png

Rekristallisationsglühen

Das Gefüge von gewalzten, gebogenen oder tiefgezogenen Werkstücken wird durch die hohen Umformkräfte stark verformt. Hierdurch ändern sich auch die Werkstoffeigenschaften. Bei gewalzten Blechen kann dies zu einer starken Anisotropie durch die langgestreckten Kristalle führen, die auch als Walztextur bezeichnet wird. Zudem kommt es im Bereich der Umformstelle zur Kaltverfestigung, was die Festigkeit ansteigen lässt und die Verformbarkeit entsprechend herabsetzt. Soll das Bauteil in diesem Zustand weiter umgeformt werden, so steigt die Gefahr der Rissbildung. Mehrstufige Umformprozesse sind ohne Weiteres somit nicht möglich. Viele Bauteile bzw. Halbzeuge müssen allerdings im Laufe ihrer Produktion mehrfach umgeformt werden, um ihren Endzustand zu erreichen. So kann bspw. ein Stahlblock von mehreren Zentimetern Dicke nicht in einem Zuge bis auf wenige Millimeter gewalzt werden. Ziel muss es deshalb sein, die verformten Kristalle eines umgeformten Gefüges vor jedem mehrstufigen Umformprozess wieder in ihre ursprüngliche Form zu bringen. Dies kann mithilfe des sogenannten Rekristallisationsglühens erreicht werden.[2]

Rekristallisationsglühen Ablauf[2] Temperaturbereich des Rekristallisationsglühens
Rekristallisationsgluehen 02.png
Temperaturbereich rekristallisationsgluehen.png

Beim Rekristallisationsglühen wird der Stahl unterhalb der PSK-Linie im Bereich zwischen 550 °C bis 700 °C geglüht. Es findet somit keine Gitterumwandlung statt, wie dies beim Normalglühen oder teilweise auch beim Weichglühen der Fall ist, obwohl auch bei diesen beiden genannten Verfahren ebenfalls ein Rekristallisationseffekt einsetzt. Beim Rekristallisationsglühen können die Korngrenzen durch Diffusionsprozesse wandern und die Körner sich somit neu bilden. Die verformten Körner nehmen ihre ursprüngliche Gestalt wieder an und der Werkstoff erhält seine Verformbarkeit zurück. Die Größe der rekristallisierten Körner hängt neben der Glühdauer und -temperatur in besonderem Maße davon ab, wie stark die einzelnen Körner verformt waren. Ein hoher Umformgrad mit sehr feinen langgestreckten Kristallen lässt das Gefüge eher feinkörnig rekristallisieren. Ein geringerer Umformgrad führt entsprechend zu einem grobkörnigeren Rekristallisationsgefüge. Gerade für ein gering verformtes Gefüge besteht hierdurch allerdings auch die Gefahr der Grobkornbildung. Diese Gefahr kann sich vor allem für kohlenstoffarme Stähle mit Kohlenstoffkonzentrationen unter 0,2% ergeben, sodass sich unter Umständen das Normalglühen besser für eine Kristallneubildung eignet. Für umwandlungsfreie Stähle, bei denen durch Legierungszusätze die γγ-αα-Umwandlung vollständig unterdrückt wird, bietet das Rekristallisationsglühen die einzige Möglichkeit der Feinkornbildung. Um also bei mehrstufigen Umformprozessen die Verformbarkeit des Werkstoffes stets zu erhalten, muss das Gefüge zwischen jedem Umformschritt rekristallisiert werden. Diese Verfahrensform wird dann auch als Zwischenglühen bezeichnet. Der Effekt der Rekristallisation kann auch bereits während dem Umformprozess selbst genutzt werden, indem im Bereich der Rekristallisationstemperatur umgeformt wird. Man spricht dann vom sogenannten Warmumformen. Wird der Werkstoff hingegen unterhalb der Rekristallisationstemperatur umgeformt (z.B. bei Raumtemperatur) spricht man vom Kaltumformen.

Perlitglühen

Das Perlitglühen von Gusseisen dient dem Einstellen eines voll- oder teilperlitischen Gefüges zur Verbesserung der Festigkeitseigenschaften und der Eigenschaftsangleichung in Bereichen unterschiedlicher Wanddicke. Der Zustand des Ausgangsgefüges ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Der Prozess erfordert ein Austenitisieren im Bereich zwischen 850°C und 920°C mit anschließender Abkühlung an ruhender oder bewegter Luft, so dass einerseits Ferritbildung durch zu langsames Kühlen und andererseits Härtungsgefüge (Martensit) infolge einer zu hohen Abkühlrate vermieden wird. Insbesondere für Gusseisen mit kugeligem Graphit besteht bei längeren Haltezeiten oberhalb 900°C die Gefahr einer Kornvergröberung, welche sich negativ auf die Zähigkeitseigenschaften auswirken kann. Für ein vollständiges Austenitisieren (Kohlenstoffsättigung) genügt im Allgemeinen eine Stunde Haltezeit nach einer Durchwärmdauer von einer Stunde je 25 mm der größten Bauteilwanddicke. Falls im Hinblick auf die Zähigkeitseigenschaften kein rein perlitisches Gefüge erforderlich ist, kann dies durch entsprechende Variation von Glühtemperatur und -dauer sowie Abkühlrate und Ausfahrtemperatur realisiert werden. Im Anschluss an das Perlitglühen schließt sich meist ein Spannungsarmglühen an, um die infolge der zügigen Abkühlung verursachten inneren Spannungen zu reduzieren und die Zähigkeitseigenschaften zu verbessern. Gerade bei massiven und empfindlichen Bauteilen werden die beiden Prozesse oftmals direkt nacheinander ausgeführt. Hierbei wird die dem Perlitisieren folgende Luftabkühlung nach Abschluss der Perlitbildung abgebrochen und das Bauteil umgehend spannungsarm geglüht. Neben der Reduzierung des Rissrisikos bei empfindlichen Bauteilgeometrien, kann der Gesamtprozess auf diese Weise zeit- und energiesparender durchgeführt werden.

Weichglühen

Zur Erzielung eines möglichst weichen Gefügeszustandes, welcher auf einer Einformung der Zementit- bzw. Karbidteilchen in der ferritischen Grundmatrix beruht, erfolgt das Weichglühen von Stählen etwas unterhalb der Umwandlungstemperatur Ac1 und bei vergüteten Stählen oberhalb der letzten Anlasstemperatur. Dies wird vor allem bei Stählen mittlerer und hoher Kohlenstoffgehalte gefordert, um eine gute Zerspanbarkeit mit kurzem Fließspan zu erzielen. Ein derartiger Gefügezustand, welcher den geringsten Energieinhalt im Zustandssystem Fe-Fe3C repräsentiert, ist aber auch vor verschiedenen Kaltumformprozessen erwünscht. Im Unterschied zum GKZ-Glühen, dem Glühen auf kugeligen Zementit, zielt das Weichglühen lediglich auf eine deutliche Absenkung der Festigkeit ohne eine weitreichende Gefügeänderung ab. Zur Vermeidung sehr langer Haltezeiten kann bei übereutektoiden Stählen (> 0,8% C) eine Pendelglühung um Ac1 angewendet werden, da dies die Karbideinformung beschleunigt. Bei untereutektoiden Stählen (< 0,8% C) sollte aufgrund der Gefahr von Karbidanlagerungen an den Ferritkorngrenzen und einem damit einhergehenden deutlichen Zähigkeitsabfall auf eine Pendelglühung verzichtet werden.

Das AC(GKZ)-Glühen wird für Stähle mit allen Kohlenstoffgehalten angewendet. Ziel ist die kugelige Einformung des Zementits (+AC(GKZ) = Geglüht auf globularen Zementit), was durch ein Erwärmen über den Umwandlungspunkt Ac1 bzw. einer Pendelglühung um Ac1 herum in Verbindung mit einer sehr langen Haltephase und einer langsamen Ofenabkühlung erreicht wird. Eine zunehmende Einformung des Zementits hat einen Härteabfall zur Folge und die Karbidauflösung beim Härten wird erschwert. Es ist daher immer ein auf den konkreten Einsatzfall abgestimmter Kompromiss aus guter Zerspanbarkeit und guter Härtbarkeit zu finden.[1]

Weichglühen Ablauf[2] Temperaturbereich des Weichglühens
Weichgluehen.png
Temperaturbereich weichgluehen.png

NE-Metalle können abhängig von ihrer chemischen Zusammensetzung ebenfalls weichgeglüht werden. Dabei handelt es sich im eigentlichen Sinne um ein Rekristallisationsglühen zur Beseitigung kaltverformter Bereiche im Gefüge, die ggf. die Weiterverarbeitung, meist Umformprozesse, erschweren bzw. unmöglich machen. Eine Kornneubildung schafft dafür günstige Voraussetzungen. Beispielsweise wird eine Vielzahl von Alumiumlegierungen im Temperaturbereich 350 - 450 °C weichgeglüht.[1]

Normalglühen

Ziel des Normalglühens von Stählen ist die Verbesserung der mechanischen Eigenschaften durch Umwandlung der vorhandenen Mikrostruktur (z.B. Beseitigung von Vorzugsorientierungen der Kristallite nach Warm- und / oder Kaltumformung oder von Kornvergröberungen nach dem Schweißen oder einer Rekristallisationsglühung) in ein gleichmäßig feines Ferrit-Perlit-Gefüge mit feinlamellarem Perlit. Dieses sogenannte "normalisierte" Gefüge kann sowohl einen Zwischenzustand vor weiterer thermischer Behandlung (z.B. Weichglühen, Härten) als auch den letztendlichen Einsatzzustand des Bauteiles darstellen. Um dies zu erreichen, ist ein Glühen mit vollständiger Ferrit-Austenit-Umwandlung bzw. bei übereutektoiden Stählen (> 0,8% C) mit teilweiser Karbidauflösung notwendig. Um Kornvergröberung und Festigkeitsabfall zu vermeiden, soll die Glüh- bzw. Austenitisierungstemperatur von untereutektoiden Stählen (< 0,8% C) die Umwandlungstemperatur Ac3 nur wenig um etwa 20 - 50 K überschreiten. Übereutektoide Stähle werden nicht vollständig austenitisiert, sondern lediglich auf ca. 30 - 60 K oberhalb der Ac1-Temperatur erwärmt. Das Aufheizen des Glühgutes auf Glühtemperatur kann in Abhängigkeit von der Geometrie und den Abmessungen schnell erfolgen. Für nicht zu dickwandige Bauteile ist der Bereich 100 - 150 K/h gut geeignet. Zur Festlegung der Haltezeit hat sich die Faustformel (max. Wanddicke / 2 + 20 min [min]) im Hinblick auf eine vollständige Durchwärmung in vielen Fällen bewährt. Eine Ausnahme bildet das Beseitigen von Verunreinigungen und intermetallischen Phasen an den Korngrenzen von Stahlguss, da zu deren sicheren Auflösung eine längere Haltedauer im Austenitbereich notwendig ist. Zur Vermeidung von Grobkornbildung ist nach der Durchwärmung sofort zügig abzukühlen. Eine schnelle Abkühlung, in der Regel an ruhender oder bewegter Luft, ist notwendig, da die Gefügedispersität nach dem Glühen umso günstiger ist, je schneller im Bereich der Perlitstufe abgekühlt wird. Ein gewisses Verzugsrisiko ist, insbesondere bei langen und dünnwandigen Bauteilen bei derartigen Hochtemperaturprozessen immer vorhanden, kann aber bei fachgerechter Bauteillagerung und Durchführung des Prozesses weitestgehend vermieden werden.[1]

Weichglühen Ablauf[2] Temperaturbereich des Weichglühens
Normalgluehen.png
Temperaturbereich normalgluehen.png

Bearbeitungsglühen

Der in der Vergangenheit als BG-Glühen, jetzt FP, oder Bearbeitungsglühen bezeichnete Prozess wird in der aktuellen Normung mit dem Ferrit-Perlit-Glühen gleichgesetzt. Bezüglich der Prozessparameter Aufheizen und Halten ist das FP-Glühen mit dem Perlitisieren vergleichbar. Der wesentliche Unterschied besteht in einer gestaffelten Abkühlung mit einer Haltephase im Perlitbereich zur Bildung eines rein ferritisch-perlitischen Gefüges. Diese Wärmebehandlung wird insbesondere bei Einsatzstählen zur Verbesserung der Zerspanbarkeit angewendet.

Ferritglühen

Bei Gusseisenwerkstoffen wird durch das Ferritisieren die Auflösung des freien Zementits sowie des im Perlit vorliegenden Zementits in Ferrit und Graphit angestrebt, was zu einer deutlichen Absenkung der Härte führt (Weichglühen für Gusswerkstoffe). Der Prozess ist durch die Diffusion des im Zementit gebundenen Kohlenstoffs zum Graphit gekennzeichnet, wobei Perlitzerfall bereits ab ca. 400°C einsetzt und ab etwa 620°C signifikant ansteigt. In Abhängigkeit vom Ausgangsgefüge und der chemischen Zusammensetzung des Gusseisens werden 3 Temperaturbereiche unterschieden. Unlegierte Gusseisen werden zur Ferritisierung kurz unterhalb Ac1 im Bereich zwischen 700°C und 760°C geglüht, wobei durch Perlitzerfall (Zementitauflösung) Ferrit und Graphit entstehen. Bei geringen Siliziumgehalten oder hohen Anteilen an karbidstabilisierenden Elementen, wie sie in legierten Gusseisen auftreten, wird im mittleren Temperaturbereich oberhalb Ac1 (T > 790°C) geglüht. Hierbei ist auf eine langsame Abkühlung (10 - 20 K/h) im Bereich zwischen 800°C und 680°C zu achten, da andernfalls eine unerwünschte Perlitbildung einsetzen kann. Das Ferritisieren bei Temperaturen wesentlich oberhalb Ac1 (mind. 855°C) wird angewendet, wenn im Gusseisen zusätzlich freier Zementit oder beständigere Karbide umgewandelt werden sollen. Bei erhöhten Phosphorgehalten (> 0,3 %) ist eine Glühtemperatur unterhalb 955°C unbedingt einzuhalten, um das Aufschmelzen des Phosphideutektikums zu verhindern. Werden an Gusseisen mit Kugelgraphit hohe Zähigkeitsanforderungen gestellt, ist ein mehrstufiges Ferritglühen oftmals unumgänglich. Als Mindesthaltezeit bei Glühtemperatur kann eine Stunde je 25 mm der maximalen Bauteilwanddicke angenommen werden. Die Abkühlung erfolgt langsam und geregelt im Ofen bis zu Ausfahrtemperaturen von ca. 200 - 300 °C und anschließend an ruhender Luft, wodurch hier ein zusätzliches Spannungsarmglühen, wie es etwa nach dem Perlitisieren notwendig ist, nicht erforderlich ist. Konstruktiv zu beachten ist, dass das Ferritglühen, infolge der Graphitausscheidung, immer eine Volumenvergrößerung des Bauteils bewirkt.[1]

Lösungsglühen

Ein Wärmebehandlungsprozess, der vorwiegend bei austenitischen Güten aber auch Duplexstählen Anwendung findet, ist das Lösungsglühen. Dabei werden die im Gefüge vorliegenden Karbidausscheidungen sowie weitere Phasen im Mischkristall in Lösung gebracht und durch eine schroffe Abkühlung an einer erneuten Ausscheidung gehindert. Des Weiteren dient das Lösungsglühen von austenitischen Werkstoffen einer Rekristallisation von kaltverformten Gefügebereichen und damit dem Abbau von Kaltverfestigungen. Die Bauteile werden dazu nach einer zügigen Aufheizung im Bereich zwischen 950°C und 1.200°C in Abhängigkeit von den Bauteilabmessungen für wenige Minuten bis zu einigen Stunden gehalten und anschließend möglichst schnell abgekühlt. Einige Stahlsorten sowie größere Wanddicken erfordern zum Erreichen der notwendigen Abkühlgeschwindigkeit am Bauteil eine Wasserabschreckung. Für dünnwandige Teile kann diese jedoch auch mit einer Abkühlung an bewegter Luft erreicht werden. Eine Abkühlung an bewegter Luft ist bei sehr großen Bauteilabmessungen oftmals die einzig praktisch realisierbare Variante, die zudem mit einer Senkung des Verzugsrisikos verbunden ist.[1]

Auch Al-Metalle werden vor einer Wärmebehandlung, wie der T6 Behandlung, Lösungsgeglüht. Zu diesem Zweck erfolgt ein Lösungsglühen im Einphasengebiet der α-Phase bei Temperaturen von ca. 10 ... 20 K unterhalb des Soliduspunktes der Legierung, meist im Temperaturbereich 460 - 560°C. Bei dieser Temperatur löst sich die β-Phase vollständig in der α-Phase. Anschliessend wird im flüssigen Medium (meist Wasser) auf Raumtemperatur abgeschreckt, um Diffusionsvorgänge und damit das Wiederausscheiden gelöster Legierungsbestandteile (β-Phase) in den Al-Mischkristall (α-Phase) zu verhindern. Im Ergebis dieses Prozesses liegt ein übersättigter α-Mischkristall vor, der mehr Atome der β-Phase enthält als es seinem Gleichgewichtszustand bei dieser Temperatur entsprechen würde. Aus Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Diagrammen können die Lösungsglühtemperatur und die Abschreckgeschwindigkeit bzw. Warmauslagerungstemperatur und -dauer entnommen werden.

Stabilisierungsglühen

Um Schweißverbindungen aus hochlegierten Stählen wirkungsvoll vor Kornzerfall durch interkristalline Korrosion zu schützen, bietet sich ein Stabilisierungsglühen im Bereich zwischen 850°C und 1.050°C an. Dabei werden durch das Schweißen verursachte Chromkarbide an den Korngrenzen in Lösung gebracht und damit beseitigt. Eine zügige Abkühlung, in der Regel an bewegter Luft, erhält diesen Gefügezustand dauerhaft. Sind Legierungselemente wie Titan, Niob oder Tantal im Gefüge vorhanden, kann dagegen langsam im Ofen abgekühlt werden, was für verzugsemfindliche Bauteilgeometrien oftmals die schonendere Variante darstellt. Aufgrund der im Vergleich zu Chrom höheren Affinität des Kohlenstoffs zu diesen Elementen bilden sich thermodynamisch stabilere Karbide. Im Resultat bleibt das Chrom im Gefüge gleichmäßig verteilt und die Bildung chromverarmter Bereiche, vor allem an den Korngrenzen, und die damit verbundene lokale Depassivierung des Materials wird wirkungsvoll vermieden. Stähle mit sehr geringen Kohlenstoffgehalten verhalten sich prinzipiell ähnlich. Bei diesen ist jedoch aufgrund der weitgehenden Abwesenheit von Kohlenstoff im Gefüge die Gefahr der Bildung von Chromkarbiden ohnehin nicht gegeben, womit ein Stabilisierungsglühen für diese Güten nicht erforderlich ist. In Abhängigkeit von den Abkühlbedingungen und der Bauteilgeometrie kann anschließend ein Spannungsarmglühen bei Temperaturen unterhalb 480 °C durchgeführt werden, um etwaige, durch schroffe Abkühlung verursachte, innere Spannungen abzubauen.[1]

Einzelnachweise

<references> [2] [1]

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 Glüherei GmbH Magdeburg, Homepage, www.glueherei.de
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 Dipl.-Ing.-Päd. Andreas Höfler, 75443 Ötisheim, Akazienweg 8, Maschinenbau & Physik, www.ahoefler.de/de/maschinenbau/werkstoffkunde/27-waermebehandlung.html